Behind the curtain

Behind the curtain

Vor ziemlich genau 3 Jahren habe ich ein ohne großes Nachdenken ein Projekt angefangen. Es begann ganz harmlos. Auf meinem Mobiltelefon hatte ich eine App, die Bildern einen „Look“ geben sollte. Um das auszuprobieren, habe ich im Bett liegend gegen ein Fenster fotografiert und einen der „Filter“, Effekte oder wie auch immer man das nennen mag, zur Anwendung gebracht.

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iPhone 4, 3,85mm, f2,8, 1/15Sek. ISO 80

So richtig hat mich das nicht überzeugt. Die App habe ich nicht mehr installiert und fotografiere immer noch fast nicht mit dem Handy. Aber das Bild blieb irgendwie auf der Festplatte.

Ein halbes Jahr später war ich in einem Hotel. Als ich aufwachte, schien Licht durch einen Spalt im Vorhang.

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Nikon D4, 24mm, f2,8 und 1/4Sek. bei 12800 ISO

Danach habe ich immer wieder Bilder von Vorhängen, Gardinen, Fenstern gemacht. Das war eher ziellos, einfach so, gesehen und fotografiert. Immer auf ähnliche Art. Über die 3 Jahre haben sich jetzt einige Bilder angesammelt. Warum ich die immer gesammelt habe – keine Ahnung. Irgendwie fasziniert mich das Licht – und auch die Frage, was wohl hinter den Vorhängen ist.

Dann kam etwas dazu. In einem Heim mit Demenz geschlagenen Menschen fiel mir auf, dass diese teilweise Stunden damit verbrachten, auf einen scheinbar imaginären Punkt hinter den Gardinen zu schauen. Gleichzeitig anwesend und abwesend, ernst und konzentriert. Die Gardinen sind wie eine Art Schleier, durch den sie schauen. Ohne das jetzt zu strapazieren – das ist vielleicht das, was Demenz ist. Ein Schleier, ein Vorhang, der immer dichter wird.

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Nikon D4, 24mm, f5,0, 1/800Sek, ISO 1600

Was ist die fotografische Herausforderung? Ganz klar und zuerst: Respektierung der Persönlichkeitsrechte – und das gilt hier besonders, weil man nicht unbedingt erkennt, wie selbstbestimmt, urteilskräftig oder schutzbedürftig die Menschen sind. Außerdem begegnen sie einem meistens in privatem oder einem schützenden Umfeld. Die Menschen befinden sich dort nicht ohne Grund. Es geht also nicht ohne Einbindung und Genehmigung durch Betreuende, Angehörige und Heimleitungen, die Genehmigung muss natürlich schriftlich eingeholt werden. Das ist vielleicht die größte Hürde bei der Erschließung dieses Themas.

Handwerklich geht es dann darum, schlicht und einfach zu entscheiden, auf welchen Punkt man belichtet. Bei diesen „Quasi-Gegenlicht-Situationen“ muss man sich entscheiden, wo das schwärzeste Schwarz der Unterbelichtung oder das weiße Weiß der Überbelichtung liegen sollen. Ich bevorzuge es, in solchen Situationen wenn möglich ohne Blitz zu arbeiten und schrecke weder vor ausgefressenen Stellen im Bild noch den abgesoffenen „schwarzen Löchern“ zurück, solange mir das Bild gefällt. Nichtsdestotrotz schadet ein wenig Aufhellung zum Beispiel mit einem Reflektor oft nicht. Da wäre dann auch ein Assistent ganz hilfreich – nur ist der meistens bei solchen reportage-ähnlichen Situationen nicht vorgesehen. In dem Bild oben wären mit einer Aufhellung vielleicht die Blumen auf dem Tisch und das Gesicht etwas besser herausgekommen.

Fragen nach der Empfindlichkeit stellen sich eigentlich nicht mehr – unsere modernen Kameras machen fast alles möglich. Bildrauschen finde ich eher nicht störend. Ich erwarte es eigentlich und finde oft auch, dass es Bildern einen gewissen Charme gibt. Filmkorn mag und mochte ich auch immer.

Die Wahl der Brennweite ist auch einfach. Da die Räume oft eng sind, geht es eigentlich nur mit einem Weitwinkel und dem notwendigen Fingerspitzengefühl, wenn man Menschen so näher kommt. Oft mache ich auch gar nicht so viele Aufnahmen. Manchmal bin ich einfach nur an so einem Ort und lasse mich auf die Situation ein. Es ist eine Art „Unsichtbar-werden“. Die Bilder kommen dann schon fast von allein.